Bericht über das XII. Stiftungsfest
des Turnvereins „Gut Heil“ zu Kabel
vom 11./12. August 1894
Motto: Und wie der Sturm auch toben mag + tosen
und dunkle Wolken schwer am Himmel dräu`n, die hohe Zuversicht sollt ihr bewahren, daß alles sich im Lichte wird erneu`n. Drum lasset frohe Jubellieder schallen und hoch die Banner unserer Sache wallen“.
Nachdem die Verhandlungen über die Abhaltung des XII. Stiftungsfestes geschlossen waren, wurde dasselbe auf den 11/12. August berufen. Obschon das Wetter sehr zu wünschen übrig ließ und Jupiter Pluvias gar oft und empfindlich sein feuchtes Haupt schüttelte, schien er uns dennoch zugeneigt; denn den Fackelzug ließ er uns in schönster Weise und ohne welche Disharmonie bewerkstelligen.-
Unterdessen füllten sich schon früh und rasch zugleich lieben Räume unseres Vereinslokales und wir müssen gestehen, daß der Besuch ein recht großer und größer als in den Vorjahren war.- Getrost dürfen wir daraus den Schluß ziehen, daß unsere gute und edle Sache in der Bürgerschaft eine immer größer Achtung genießt, beweisen uns dies doch auch wieder die eingegangenen Meldungen zu Turnfreunden und aktiven Turnern.-
Um 9 ½ Uhr eröffnete unser Vorsitzender in warmen Worten die Versammlung u. gewürzt mit Frohsinn u. Heiterkeit und Trinksprüchen auf den Kaiser u. den Wieder- Erbauer der Turnerschaft verlief der Abend, wo die gemeinsame Sache ein Band der Freundschaft um alle schloß, in schönster Weise.- ließen auch etliche Aufführungen zu wünschen übrig, so dürfen wir uns doch über den erreichten Erfolg freuen, waren doch unsere lieben Gäste zum Theil bis Nachts 2 Uhr in unserer Mitte, den lieblichen Klängen der Musik lauschend.-
Anknüpfend hieran wollen wir nur noch die Hoffnung aussprechen, daß es unserem bewährten Mitarbeiter, dem Genossen Söhnchen, vergönnt sein möge, gar bald uns seine volle Kraft wieder zur Verfügung zu stellen und uns hilfreiche Hand zu leisten.-
Der Haupt- Festtag verlief im Gegensatz zu dem des Vorjahres stiller; schien es doch als hätte es den ganzen Tag nur einmal regnen wollen.- Doch als wir uns zum Festzug ordneten, schien sich Freund Pluvin des Dichterwortes zu erinnern „Turnen ist die beste Medizin etc.“ und da er uns als tüchtige, ordnungsliebende Turner von früher her kennt, ließ er schnell die Sonne putzen u. die Wolken schieben, so daß wir bei Sonnenschein u. ziemlich klarem Himmel das Fest beginnen konnten.-
Die Betheiligung war leider nicht eine solche, wie wir sie aus den früheren Jahren gewohnt waren. Hieran war indes nicht ein Erkalten des Interesses an unserer Sache schuld, sondern die ungünstige Witterung einerseits und der ungünstige Termin des Festes andererseits, der es den auswärtigen Freunden u. Gönnern des Vereins unmöglich machte zu erscheinen, war doch an dem nämlichen Tage das bekannte Harkortbergfest- zu dem auch unser I. Turnwart als Kampfrichter geladen war. Aus mancherlei Gründen war es uns auch nicht möglich gewesen, den Termin des Festes zu verlegen und so kam es, daß wir zum größten Theil nur auf die Ortseingesessenen beschränkt waren. Nichtsdestoweniger können wir uns über den Verlauf des Festes nur zufrieden aussprechen und wenn auch ein Deficit uns unausbleiblich war, so war doch die Stimmung von Anfang bis zu Ende eine ungetrübte.- Hierzu mag wohl in erster Linie die in unseren Reihen bekannte und von Jedermann hochgeschätzte militärische Pünktlichkeit beigetragen haben. Dann aber waren die vorgeführten Leistungen unserer Turner und das Conzert der Hagener Stadtkapelle- die Herr Schmitt in wohlwollender Weise recht stark gestaltet hatte- gerade zu vorzüglich.-
Abgesehen von den durch den unvorhergesehenen Wechsel in der Leitung des Vereins hervorgerufenen wirren, müssen wir bekennen, daß auch die Vertreter des I. Turnwarts- die Genossen Ambrock und Hedinger es verstanden haben, die Sache in schöner Ordnung zu halten und wenn der I. Turnwart sich der Mühe unterziehen wollte, seine beiden Vertreter mit der erforderlichen Energie und dem gleichen kräftigen Kommando auszurüsten, wie es ihm eigen ist, so dürfen wir in ähnlichen wiederkehrenden Fällen- die Gott in Gnaden verhüten möge- getrost den Schwierigkeiten entgegentreten.-
Besonders lobend wollen wir erwähnen die Gesellschaftsübungen am Pferd und das Kürturnen am Reck, haben doch bei dem letzten ganz besonders die 3 Jugendturner gezeigt, wie das Turnen dem Körper Muth und Kraft verleiht.- Nicht wir allein, nein die ganze fröhliche Festversammlung war sichtlich erfreut über die Leistungen und so wollen wir auch die über uns hereingebrochene Bedrängnis vergessen und uns ungetrübt der schönen Erinnerung an das entschwundene Fest hingeben.-
Nach rascher Durchführung des Festprogramms nahm um 8 ½ Uhr der II.te Theil des Festes seinen Anfang mit der Polonaise, zu der aber ein solcher Andrang war, daß man- wie selbst der Schreiber dieses Protokolls- von unbefugtem Recht Gebrauch machen musste, um ein Ungeduldigwerden der lieben Damen zu verhindern, welches ohnehin in der Erwartung des dann folgenden Waffenreigens eine recht große war.
Vorzüglich gelungen bildete dieser Waffenreigen- bis zu welchem noch fast kein Mensch den Saal verlassen hatte- den Glanzpunkt des Festtages. Dank den vielen aufopfernden Mühen der Herren Veranstalter war es unter den schwierigen Verhältnissen doch möglich gewesen, den Reigen zu einem wunderbar Schönen herauszubilden, und wenn unser Ehrenmitglied, Herr Steinhaus, darob dem Verein u. seinem I. Turnwart ein Hoch ausbrachte, so glauben wir, daß dies aus aller Herzen gesprochen war.- Leider mussten wir nach diesem Reigen unseren Mitarbeiter Herrn Söhnchen- familienverhältnissen halber- aus unserer Mitte scheiden sehen und da war es dann unser Vorsitzender, der kräftig an seine Stelle trat und trotz körperlichen Leidens den Abend in schöner Harmonie hielt. Dank auch den fleißigen u. unermüdlichen Musikern, die es uns ermöglichten fleißig das Tanzbein zu schwingen u. in schöner Stimmung zusammen zu bleiben.- Auch des wilden Gesangsvereins, der sich aus der grünen Ecke im Gänsemarsch zur Bühne begab, um seine Produktionen vorzubringen, sei lobend gedacht; nur wäre demselben zu rathen, sich nächstens unter ein einheitliches Kommando zu stellen.-
Nur zu schnell entschwanden die Stunden unter Lachen und Scherzen, das bei fast allen zu finden war, und es war längst Mitternacht vorüber, als sich die ersten- und mit Betrübnis zu sagen, gerade die Comite`- Mitglieder- zur Ruhe begaben u. sich trennten, in dem Bewußtsein, ein vergnügliches Fest gefeiert zu haben.-
Nur unsere Genossen Funke u. vom Lehn waren vom Comite`zuletzt- d.h. nach 3 Uhr, als auf dem Ziegelbrand die ersten sich schon zur Arbeit rüsteten- noch auf dem Festplatz zugegen und ordneten in fürsorglicher Weise den Kehraus an, so daß allen Teilnehmern noch reichlich Gelegenheit geboten war, sich Morpheus`Armen zu übergeben.- über den Montag schweigen die Götter und von dem was da noch alles erlebt und erzählt wurde, müssen wir sagen: „ Es bleibt unter uns Pastorentöchtern.“-
Nur in kurzen Worten lasst uns nochmals das Ergebnis des Festes zusammenfassen, indem wir ausrufen:
Das XII te Stiftungsfest des Turnvereins Gut Heil, es war gleich den früheren ein wohlgelungenes, es hat uns wiederum gezeigt, daß nach den schweren Anstrengungen des Jahres fröhliche Feste gefeiert werden können und daß das Turnen dem Körper Kraft verleiht und eine gesunde, fröhliche Seele zeitigt.-
Laßt es uns einreihen in die Erinnerung mit den früheren durch den Ruf:
„ Der Turnverein Gut Heil zu Kabel,
er wachse, blühe und gedeihe
bis in Ewigkeit.“-
Gut Heil
Kabel 15/ Aug. 1894
E.A.